Interview: Der Kauf eines kompletten Franchisesystems am Beispiel von Joey’s Pizza
Mit der Nachricht, dass Domino’s Pizza den deutschen Marktführer Joey’s Pizza gekauft hat, haben die beiden Franchisesysteme gestern sicherlich die Franchise-News des Monats gebracht. In unserer gestrigen News kann man im Kern folgendes nachlesen:
„Übernommen wird die Joey’s Pizza Service (Deutschland) GmbH im Rahmen eines Joint Ventures von den beiden börsennotierten Franchise-Unternehmen Domino’s Pizza Enterprises aus Australien und Domino’s Pizza Group plc aus Großbritannien für 79 Millionen Euro. Im vergangenen Geschäftsjahr hatte Joey’s einen Rekord-Nettoumsatz in Höhe von 135 Millionen Euro erzielt.“
Daraufhin stellte ich mir ein paar allgemeine Fragen zum Vorgehen und zu den Auswirkungen für Franchisenehmer, wenn ein komplettes Franchisesystem verkauft wird. Hierüber habe ich mich mit dem Rechtsanwalt Dr. Patrick Giesler unterhalten, der bereits einige solcher Verkäufe begleitet hat.
Steffen Kessler: Wie ist zu begründen, dass ein Franchisesystemen zueinem solchen Preis verkauft werden kann? Ich wäre davon ausgegangen, es gibt zwar eine wertvolle Marke, doch weil die einzelnen Standorte anderen Unternehmern gehören – und sie ihren Betrieb nicht mitverkaufen – dürften Verkaufspreise für die Übernahme einer Systemzentrale nicht so hoch liegen. Ich scheine mich zu irren, oder?
Dr. Patrick Giesler: Das ist in dem konkreten Fall von außen nicht zu beurteilen. Es gibt grundsätzlich unterschiedliche Methoden, den Wert eines Unternehmens zu ermitteln, die unterschiedliche Kriterien miteinander mischen. Es könnten sich hier z.B. um eine „Ertragswertmethode“ gehandelt haben (und das Kaufobjekt war vielleicht außerordentlich profitabel). Außerdem muss man sehen, dass der Kaufpreis reine Verhandlungssache ist und dass beim Käufer auch Überlegungen eine Rolle gespielt haben können, die nichts mit dem Wert des Kaufobjekts zu tun haben (z.B. die Ausschaltung eines Wettbewerbers).
Steffen Kessler: Was macht ein Franchisenehmer, der mit der neuen Systemzentrale nicht einverstanden ist? Hat er ein Sonderkündigungsrecht o.ä.?
Dr. Patrick Giesler: Es wird sich vermutlich um einen Share Deal handeln, d.h. lediglich der Gesellschafter des Joey‘s Franchisegebers hat sich geändert. Ein Gesellschafterwechsel ist kein Kündigungsgrund. Die Franchisenehmer haben keine Handhabe.
Steffen Kessler: Was passiert grundsätzlich mit Franchisenehmern? Müssen Franchisepartner ein neues Label mitmachen?
Dr. Patrick Giesler: Ein Unternehmenskauf hat zunächst keine rechtlichen Auswirkungen auf bestehende Franchiseverträge (wenn wir einen Share Deal unterstellen, siehe vorherige Antwort). Es kann natürlich tatsächliche Auswirkungen geben, z.B. eine Änderung der Lieferanten etc. Wenn dauerhaft nicht beide Marken erhalten bleiben sollen, sondern die bisherigen „J“-Franchisenehmer zukünftig „D“-Franchisenehmer sein sollen, kommt es maßgeblich darauf an, ob in den Franchiseverträgen ein wirksamer Änderungsvorbehalt enthalten ist. Wenn es einen wirksamen Änderungsvorbehalt gibt, können die Franchisenehmer in der Tat zum „Umlabeln“ auf eigene Kosten gezwungen werden. Fehlt es daran, wird der Franchisegeber mit Anreizen oder einer Kostenübernahme arbeiten müssen. Ein Streit darüber ist nicht ausgeschlossen.
[Anm. d. Redaktion: Im konkreten Fall sollen bisherigen Joey’s Pizza Standorte künftig in Domino’s Pizza Standorte umgewandelt werden. Den Joey’s Franchise-Nehmern wird anscheinend freigestellt, ob sie ihren Betrieb auf Domino’s Pizza umstellen oder den Franchise-Vertrag auflösen möchten.]
Steffen Kessler: Welche Optionen gibt es grundsätzlich beim Kauf eines Franchisesystems?
Dr. Patrick Giesler: Bei einem Share Deal wird das Kaufobjekt (Gesellschaft) mit allem was sich darin befindet (inkl. Franchiseverträge, Marke, Bankkonto, Verbindlichkeiten) übernommen. Hier ist kein „Rosinenpicken“ möglich. Alternativ könnte man in einem Asset Deal nur einzelne Vermögensgegenstände aus dem Unternehmen herauskaufen – dann allerdings wäre eine Übernahme der Franchisenehmer ohne deren Zustimmung nicht möglich (zu Letzterem könnte es eine Ausnahme geben, wenn die Auswechselung des Franchisegebers von vornherein wirksam in den Franchiseverträgen vereinbart gewesen wäre. Das ist alles höchst spekulativ, weil wir von außen nicht erkennen können, was in den Franchiseverträgen steht.
Steffen Kessler: Laufen Franchisenehmer im Falle eines Kaufs Gefahr, dass sie alles über den Haufen werfen müssen (Preise, Produktauswahl etc.)?
Dr. Patrick Giesler: Ja, im Rahmen des im Franchisevertrag vereinbarten Änderungsvorbehalts.
[Anm. d. Redaktion: Im konkreten Fall scheint sich für das laufende Geschäft nichts zu ändern. Produkte, Ansprechpartner und Rezepturen sollen beibehalten werden, ebenso wie das Management und alle Geschäftsprozesse.]
Ein sehr herzliches Dankschön geht an Dr. Patrick Giesler für die prompte Beantwortung meiner Fragen, obwohl er aktuell richtig viel um die Ohren hat. Dieses Engagement hat einen ganz herzlichen Sonderapplaus verdient. Danke!
Wir drücken allen Beteiligten von Domino’s und Joey’s ganz herzlich die Daumen und sind neugierig auf die Entwicklungen im kommenden Jahr. Viel Rotes wird zu Blau werden und wir sind gespannt!
Mein Gesprächspartner Dr. Patrick Giesler ist einer der renommiertesten deutschen Rechtsanwälte für Franchisegeber. Er ist seit 1997 ausschließlich auf diesem Gebiet tätig und war seitdem an dem Aufbau von mehr als 180 Franchisesystemen beteiligt. Herr Dr. Giesler berät exklusiv Franchisegeber bei dem Aufbau, dem Management und der internationalen Expansion von Systemen. Seine Schwerpunkte sind strategische Unternehmensberatung und Vertragsgestaltung.
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