Fremdländische Namen: Karriere-Barrieren und Motor für Gründungen
Rund ein Drittel aller neuen Unternehmen werden in Deutschland aus der Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund gegründet. Die Zahlen und Statistiken widerlegen die Mär von der „Migration in die Sozialsysteme“, denn die Gründer-Quote liegt weit über dem Durchschnitt des Bevölkerungsanteils dieser Gruppe. Laut Mikrozensus 2012 des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Unternehmensgründer und Arbeitgeber ohne deutsche Staatsangehörigkeit in den vergangenen Jahrzehnten konstant gestiegen. Die Statistik zählt rund 760.000 Selbstständige aus Einwandererfamilien, die rund zwei Millionen Arbeits- und Ausbildungsplätze schufen. Warum aber ist der Anteil der Gründer und Selbstständigen mit ausländischen Wurzeln so hoch – Tendenz weiter steigend?
Bereits vor einiger Zeit hatte sich das FranchisePORTAL mit dieser Frage befasst und verschiedene Gründe genannt. Ein zentraler Punkt: Häufig ist der Sprung in die Selbstständigkeit die einzige Chance zu Aufstieg und höherem Einkommen für Menschen, denen die Türen zu Karrieren in deutschen Unternehmen verschlossen bleiben. Die schlechteren Bedingungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt resultieren aus nicht anerkannten Bildungsabschlüssen ebenso wie aus generellen Ressentiments deutscher Arbeitgeber und Personaler gegenüber Einwanderern. Aus aktuellem Anlass sollten zwei Aspekte der meist wohl unbeabsichtigten Diskriminierung näher beleuchtet werden: die Herkunft und die Namen. Immer wieder berichten Menschen mit Migrationshintergrund davon, dass sie sich schon allein dadurch benachteiligt fühlten, etwa Arzu oder Yüksel, Dmitri oder Irina zu heißen, ganz zu schweigen von den Nachnamen.
Warum Namen benachteiligen und gleichzeitig motivieren
Eine komplette Seite im Wirtschaftsteil der Süddeutschen Zeitung vom 1. März 2014 widmete sich diesem Thema. In den Artikeln kam beispielsweise ein promovierter Diplompsychologe türkischen Namens zu Worte. Er mutmaßte, dass sich Personalleiter in deutschen Unternehmen in früheren Jahren aufgrund seiner Herkunft und des Namens gegen ihn entschieden hätten und dabei Argumente anwandten wie „der deutsche Bewerber gleicher Qualifikation würde möglicherweise besser vom Team angenommen werden“. Eine Unternehmensberaterin, die ebenfalls türkische Wurzeln hat, wird mit den Worten zitiert, dass sich „manche Personaler nicht mal die Mühe gemacht haben, ihr (wohlgemerkt) deutsches Diplom auch nur anzusehen“ – ihres Namens wegen, wie sie annimmt. Defizite in der Ausbildung konnte man ihr schließlich nicht nachsagen.
Nach Meinung der Interviewten hat auch das Antidiskriminierungsgesetz nicht viel geändert, das seit 2006 und mit letzter Neufassung 2012 in Kraft ist. Vielmehr würden Begründungen für Bewerbungs-Absagen nicht mehr direkt genannt, sondern oft nur noch mit Floskeln verallgemeinert wie „Leider konnte Ihre Bewerbung nicht berücksichtigt werden“. Vorurteile werden auf die Art und Weise nicht aus der Welt geschafft, sondern verschleiert. Und es sind selten Menschen des mittel- und nordeuropäischen oder angelsächsischen Kulturkreises, die sich benachteiligt fühlen. Vornehmlich betrifft es Südländer oder Menschen osteuropäischer oder orientalischer Herkunft oder dunklerer Hautfarbe, denen viele deutsche Personaler offenbar nicht das entsprechende Maß an sogenannten „deutschen“ Tugenden wie Fleiß, Disziplin oder Pünktlichkeit zutrauen.
Übergangen werden auch jene unter ihnen mit hohen Bildungsabschlüssen. Was die Beispiele aus der „Süddeutschen“ andeuten, belegen Untersuchungen der Agentur für Arbeit. Die Behörde hat ermittelt, dass die Arbeitslosenquote unter Akademikern mit Migrationshintergrund doppelt so hoch wie jene des Akademiker-Gesamtdurchschnitts ist. Und die Zahl der gut ausgebildeten Wissenschaftler, Lehrer oder Ingenieure, die Taxi fahren, als Hausmeister oder Reinigungskräfte arbeiten, statt ihrer Qualifikation gemäße Posten zu besetzen, lässt sich nur mutmaßen – hunderttausende? Millionen? Die deutsche Wirtschaft klagt jedenfalls über Fachkräftemangel und verschwendet gleichzeitig ein gewaltiges Potenzial.
In Deutschland Ausländer, im „Ursprungsland“ Deutsche
Die fremdländischen Wurzeln bremsen die Menschen indes nicht nur beim Einstieg in die Unternehmen aus, sondern hindern sie auch am Aufstieg. In den Management-Ebenen deutscher Unternehmen sind Menschen mit Migrationshintergrund bis heute nicht nur stark unterrepräsentiert, sondern eine absolute Seltenheit. Hier spielt Diskriminierung allerdings eine untergeordnete Rolle, vielmehr fehlen die Netzwerke, die Aufstiege meistens begünstigen. Erst wenn auf höchster Ebene Personen mit nichtdeutscher Herkunft arbeiten, haben insbesondere ihre „Landsleute“ wohl eine Chance auf Karriere in der Firma.
Wem hier die Türen versperrt bleiben, der hat zwei Optionen: sich entweder selbstständig zu machen oder Richtung Ursprungsland zurück zu orientieren, falls die dortige Wirtschaft entsprechende Möglichkeiten bietet. Der türkischstämmige Diplompsychologe aus der Süddeutschen Zeitung hat gewissermaßen beides getan: eine deutsch-türkische Personalberatung gegründet und seither viele Führungskräfte in die boomende Türkei vermittelt. Dort werden sie gern eingestellt – und zwar von türkischen Unternehmen wie auch von Niederlassungen deutscher Firmen. Paradoxerweise gelten sie dort als Deutsche, denen entsprechende Tugenden und ein hoher Ausbildungsgrad zugeschrieben werden. Im Zeitungsartikel beschreibt der Diplompsychologe und Personalberater einen regelrechten Strom gut ausgebildeter Deutschtürken in Richtung Bosporus.
Prädestiniert für Franchising
Deutschland verliert also Fachkräfte. Und das, obwohl Ausländer in Deutschland vielfach in einer Kultur des Motivations- und Unternehmergeistes leben. Schließlich waren sie selbst oder ihre Eltern oder Großeltern einst nach Deutschland gekommen, um Chancen zu nutzen und etwas zu erreichen. Diese meist völlig verkannte Unternehmergeist-Kultur bietet ein enormes Potenzial für Franchisegeber. Wie eingangs erklärt, ist die Bereitschaft zur Firmengründung und Selbstständigkeit überdurchschnittlich hoch. Immer wieder bestätigen Statistiken und Untersuchungen auch, dass Unternehmensgründer mit Migrationshintergrund mittel- und langfristig ebenso häufig erfolgreich sind wie deutsche. Allerdings ist ihr finanzieller Spielraum für Gründung und Geschäftsaufbau meist vergleichsweise niedriger. Daher sind sie für Franchise-Modelle mit entsprechenden Hilfen und geringeren Risiken geradezu prädestiniert.
Und die Menschen mit Migrationshintergrund selbst? Vielleicht sollten sie sich verstärkt nach Möglichkeiten in der Franchise-Welt umsehen. Und die Franchise-Welt schließlich müsste sie stärker denn je als Zielgruppe umwerben.
Mehr zum Thema: Interview mit Suat Bakir, Geschäftsführer der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer (TD-IHK) im FranchisePORTAL.
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