Passive Haftung eines Lizenzgebers für ausstehende Zahlungen des Lizenznehmers an Dritte?

Gastbeitrag eines Lizenzgebers

Mit Urteil vom 29.12.2009 AZ 21 C 480/08 wurde ein Lizenzgeber in erster Instanz zur Zahlung der Außenstände, die einer seiner selbständigen Lizenznehmer bei Dritten hatte, verurteilt.

Hintergrund:

Der Lizenzgeber betreibt seit 14 Jahren ein Lizenzsystem für Computerschulen mit verschiedenen Standorten in Deutschland. Der Firmenname des Systems ist als geschützte Marke eingetragen. Mit den Lizenznehmern werden franchisetypische Lizenzverträge geschlossen, aus denen unter anderem eindeutig hervorgeht, dass der Lizenznehmer rechtlich selbständiger Unternehmer ist.

In derselben Stadt, in der sich der Standort der Systemzentrale befindet, betreibt auch ein Lizenznehmer des Systems sein Geschäft. Die Geschäftadresse der Zentrale und die des Lizenznehmers sind nicht identisch. Der Außenauftritt beider Unternehmen ist bis auf die gemeinsame Marke ebenfalls nicht identisch. Der Lizenzpartner firmiert unter „Name-der-Computerschule, Inhaber Herr Meier“ (Name geändert, Anm. d. Red.). Die Systemzentrale unter „Name-der-Computerschule, Systemzentrale, Inhaber Herr Schulze“ (Name geändert, Anm. d. Red.). Im Webauftritt des Systems ist die Abgrenzung zwischen Zentrale (Impressum) und Lizenznehmer (Standortliste) ebenfalls klar erkennbar.

Der Lizenznehmer hatte in der Vergangenheit Außenstände, wegen unbezahlter Rechnungen bei einem örtlichen Dienstleister für Drucksachen. Im weiteren Verlauf erhielt der Lizenznehmer Mahnungen und schließlich einen Mahnbescheid. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste der Lizenzgeber nichts von den genannten Vorgängen beim Lizenznehmer. Der Lieferschein, die Rechnung und die Mahnungen waren an den Lizenznehmer mit der richtigen Geschäftsadresse geschickt worden. Erst der Mahnbescheid lautete plötzlich auf den Namen des Lizenzgebers Herrn Schulze, allerdings kurioserweise mit der Geschäftsadresse des Lizenznehmers. Warum der Gläubiger den Namen des Lizenzgebers mit der Geschäftadresse des Lizenznehmers im Mahnbescheid verbunden hat, ist nicht nachvollziehbar.

Folgerichtig widersprach der Lizenzgeber dem Mahnbescheid, da er tatsächlich die Dienstleistung nicht in Anspruch genommen hat. Lieferschein, Rechnung und Mahnung wiesen eindeutig den Lizenznehmer als Auftraggeber aus. Umso überraschter zeigte sich der Lizenzgeber, als ihm Wochen später die Klage des Gläubigers zugestellt wurde.

Zwei außergerichtliche Einigungsversuche der Systemzentrale, bei denen versucht wurde, das offensichtliche Missverständnis aufzuklären (Hinweis auf Webseite, Gewerbeamt und Zusendung des Lizenzvertrages als Beweismittel) scheiterten an der Auffassung der Gegenseite. Im späteren Gerichtsverfahren stützte sich die hauptsächliche Argumentation der Klägerin auf die sogenannte Rechtsscheinhaftung (passive Mithaftung). Einfach ausgedrückt bedeutet dies: War der Klägerin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (Bestellung der Drucksachen) klar, dass es sich bei dem Auftraggeber (Lizenznehmer) um einen rechtlich selbständigen Unternehmer handelt? Wenn nicht, könnte sie sich laut Klägerin, auf den Rechtsschein, also auf den für sie offensichtlichen Auftraggeber (Lizenzgeber) berufen.

Bei der mündlichen Verhandlung war der Lizenznehmer als Zeuge geladen. Er gab zu Protokoll, dass er der Auftraggeber der Dienstleistung war (Beweis Unterschrift Lieferschein) und nicht die Systemzentrale. Diese wichtige Aussage wertete das Gericht als nicht ausschlaggebend, sondern folgte dem Argument der Gegenseite, dass die Klägerin annehmen musste, dass die Beklagte (Lizenzgeber) passiv für die Handlungen des Lizenznehmers legitimiert sei.

Persönliche Meinung

Wenn sich diese Rechtsauffassung durchsetzen sollte, könnten sich Gläubiger in Zukunft einfach darauf berufen, dass ihnen zum Vertragsabschluss nicht klar war, dass der jeweilige Lizenznehmer rechtlich selbständig ist und so könnten die offenen Forderungen dann bei Lizenz- oder Franchisegebern geltend gemacht werden. Dies wäre eine fatale Entwicklung für die Franchisewirtschaft.

Die Webseite des Lizenzsystems wurde vorübergehend stillgelegt, um weiteren Anfragen von Gläubigern des Lizenznehmers entgegenzuwirken. Der Lizenzgeber ist in Berufung gegangen.

Bild: misterQM / photocase.com

 

 

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2 Kommentare

  • Das Urteil ist für Eingeweihte weniger überraschend als man auf den ersten Blick annehmen könnte.

    Die Rechtsscheinhaftung des Franchisegebers (oder Lizenzgebers) in Form der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht ist ein Risiko, dass in der juristischen Fachliteratur seit vielen Jahren beschrieben wird. Ich habe mich selbst dazu einige Male „literarisch“ geäußert.

    Das Problem kann vermieden werden, wenn der Franchisenehmer bei seinem Auftreten im Rechtsverkehr das eventuelle Missverständnis von Dritten (Lieferanten, Geschäftsfpartnern) vermeidet, er sei in irgendeiner Form ein Bevollmächtigtiger des Franchisegebers. Mehr noch: Der Franchisenehmer muss diesen falschen Eindruck AKTIV ZERSTÖREN. Dies erfolgt mindestens durch die Verwendung eines DEUTLICH sichtbaren Inhaberzusatzes auf seinen Briefbögen, Visitenkarten, Quittungen und auf sämtlichen Geschäftspapieren. In der Korrespondenz muss der Franchisenehmer irreführende Bestellungen unter Bezugnahme auf das System unterlassen. Das ist die richtige Herangehensweise, die auch zu einem sicheren Schutz führt.

    Weil es bei der Erreichung des Schutzes also maßgeblich auf das richtige Verhalten des Franchisenehmers ankommt, muss der Franchisegeber dazu eine Richtlinie entwickeln (es sollte im Franchisehandbuch dazu ein verbindliches Kapitel geben, das die Form des Inhaberzusatzes verbindlich vorgibt) und die Einhaltung dieser Richtlinie überwachen.

    Natürlich muss der Franchisegeber auch in seiner eigenen Korrespondenz darauf achten, keine Missverständnisse auszulösen. In einem anderen Fall hatte ein Franchisegeber einen Immobilienmakler im Namen des Franchisenehmers beauftragen wollen und dabei unklar gelassen, wer die Maklercourtage bezahlen sollte.

    Die Sicherheit kann deutlich erhöht werden, wenn die Franchisenehmer nur mit gelisteten Systemlieferanten und Systemdienstleistern zusammenarbeiten. Das ist ohnehin die richtige, professionelle Organisationsmethode für Systeme. Dementsprechend sollte der Franchisegeber die Bindung der Franchisenehmer an die Systemlieferanten und Systemdienstleister vertraglich (d.h. in den Franchiseverträgen) sicherstellen und mit den Anbietern vernünftige Rahmenvereinbarungen abschließen. In diesen Rahmenvereinbarungen wird dass das Risiko der Rechtsscheinhaftung beseititgt. Außerhalb des Bereichs der Belieferung mit Waren, die an Endkunden verkauft werden, kann eine Bezugsbindung relativ unproblematisch vereinbart werden, wenn man weiß, wie das geht.

    Viel Erfolg!

  • skessler sagt:

    Hallo Herr Dr. Giesler,

    vielen herzlichen Dank für Ihren so ausführlichen Kommentar und das sie etwas Licht ins Dunkle bringen.

    Ich erkenne nun, dass in der Rechtsscheinhaftung tatsächlich ein Risiko liegt, dessen man sich von Beginn an als Franchisegeber bewusst sein sollte und dem man aktiv entgegentritt. Dennoch erscheint mir das Ganze rein menschlich – und nicht juristisch – gesehen als nicht richtig. Gerade dass der als Zeuge geladene Lizenznehmer die Beauftragung bestätigt und dies keine Rolle bei der Rechtssprechung spielt, verstehe ich nicht.

    Allerdings frage ich mich auch warum es soweit kommen musste. Im Gespräch mit anderen Franchisesystemen kam heraus, dass es ähnliche Fälle bereits gegeben hat, man sich aber mit einem kurzen Schriftwechsel oder einem aufklärenden Telefongespräch schnell einig wurde. Das scheint hier nicht möglich gewesen zu sein.